A)
Um die Einsatz- und Zutrittsberechtigung von Assistenzhunden zu verstehen, ist wichtig, dass man zunächst die Definition von "Behinderung" betrachtet:
Der Begriff "Mensch mit Behinderung" ist gesetzlich definiert durch:
als
A)
Menschen, die im Sinne des Gesetztes behindert sind haben ein Recht auf Unterstützung/Assistenz.
B)
"Assistenz" beschreibt jede Art von Hilfe, die betroffene Menschen in Lage versetzt, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies beinhaltet:
C)
Die Schweiz hat im April 2014 das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK, SR 0.109) ratifiziert, seither ist diese auch für die Schweiz rechtsgültig, denn das Bundesgericht hat den Grundsatz des Vorrangs von Völkerrecht vor Landesrecht bestätigt und somit auferlegt, (neu geltendes) Völkerrecht als verbindlich zu respektieren.
Die UN-BRK erwähnt explizit und wiederholt den Begriff "tierische Assistenz" als Ergänzung zu menschlicher, technischer oder objektbezogener Assistenz. Dabei räumt sie nicht nur Menschen mit „sichtbarer Einschränkung“ (körperliche oder sensorische Behinderung), sondern explizit auch Menschen mit „unsichtbarer Einschränkung“ (intellektuelle, kognitive, neurologische oder psychische Behinderung, Erkrankung oder Entwicklungsstörung) ein Recht auf „tierische Assistenz“ und damit auch deren Sonderrechte ein (vgl. z.B. UN-BRK, Art. 9 & Art. 20).
D)
Die Annahme, dass nur Blindenführhunden spezielle (Zutritts-)Rechte zustehen, ist demnach veraltet.
B)
Grafik: Schweizerische Tierschutzverordnung
A)
Für Assistenzhunde gelten nachstehende Sonderrechte:
*unter Vorbehalt abweichender kantonaler/kommunaler Regelungen, siehe https://www.tierimrecht.org/de/recht/hunderecht/
A)
Die Notwendigkeit eines Assistenzhundes bzw. der Bedarf an dessen ständige Begleitung anstelle oder in Ergänzung zu menschlicher, technischer oder objektbezogener Assistenz zwecks Wiedererlangung, Ermöglichung, Erleichterung oder Erweiterung von Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Teilhabe wird fachärztliches attestiert. Daher stellen Assistenzhunde ein persönliches, behinderungsbedingt notwendiges Hilfsmittel analog einem Rollstuhl, Gehstock, Blindenstock, Hörgerät etc. dar.
B)
Die Aufforderung als Alternative zum Assistenzhund generell oder situativ auf eine menschliche Begleitperson zurückzugreifenoder/aber über die (generelle oder situative) Notwendigkeit eines Assistenzhundes zu urteilen, steht Drittinstanzen nicht zu. Ein solcher Einwand widerspricht nicht nur der Botschaft des Bundesrates sondern verletzt im höchsten Masse die Grundrechte von Menschen mit (sichtbarer UND unsichtbarer) Behinderung in der Achtung der Unterschiedlichkeit ihrer Einschränkung, in der Akzeptanz der jeweils individuellen Bedürfnisse sowie in der jeweiligen Autonomie (= Selbstständigkeit und Selbstbestimmung) einschliesslich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Wahl des (Begleit-) Hilfsmittels liegt bei mündigen Personen alleine bei diesen.
C)
Assistenzhunde-Teams sind grundsätzlich nur zu trennen, wenn die medizinische, hygienische, tierethische oder tierrechtliche Situation keine andere Möglichkeit zulässt (z.B. Operation, Intensivstation, Schützenfest, Fussballstadion, etc.).
D)
Assistenzhunde haben - im Gegensatz zu Therapiehunden - keinen bzw. nur geringen physischen Kontakt zu Drittpersonen (siehe Abgrenzung Assistenzhunde/Therapiehunde).
A)
Unabdingbar für die Erfüllung ihrer Zweckbestimmung ist natürlich, dass sich Assistenzhunde überall dort aufhalten dürfen, wo sich auch ihr Mensch aufhält. Daher stehen die besonderen Zutritts- und Aufenthaltsrechte allen Assistenzhunden zu. Das kostenfreie Zutritts- Begleit- und Aufenthaltsrecht von Assistenzhunden rechtfertigt sich durch:
- Die (inter-)nationale Gesetzgebung über Behindertengleichstellung, Teilhabe, Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Nicht-Diskriminierung
Diese sind enthalten in:
_ Das Recht auf grösstmögliche Unabhängigkeit durch Nutzung von Hilfsmitteln, einschliesslich tierischer Assistenz (=Assistenzhunde, UN-BRK Art. 20b)
_ Die gesetzlichen Vorschriften zur Barrierefreiheit, wonach Barrierefreiheit auch unter Zuhilfenahme entsprechender Hilfsmittel gewährleistet sein muss (SR 0.109)
_Einen Nachweis von einer staatlichen oder regulatorischen Assistenzhunde-Organisation*, welcher gewährleistet,
*z.B. Schweizerische Blindenführhundeschule, LeCopain oder SwissHelpDogs
B)
Das (kostenlose) Zutritts-, Begleit- und Aufenthaltsrecht erstreckt sich auf alle Bereiche, die üblicherweise in Strassenschuhen betreten werden und dem allgemeinen Publikum (= Gäste, Kunden, Besucher, Begleitpersonen, etc.) offen stehen. Dies betrifft
A)
Das Recht auf Gleichstellung beinhaltet:
B)
Gemäss Botschaft des Bundesrates (BBl 2001 1715, 1775) ist das oberste Ziel der Behindertengleichstellung:
Die Schaffung von "Rahmenbedingungen, welche die Unabhängigkeit Behinderter von der Hilfe durch Drittpersonen erlauben und damit vom Gefühl befreien, von andern Personen abhängig zu sein
Zweifelsfrei sind genau dies die Kernkompetenzen von Assistenzhunden.
Für behinderte Menschen gilt der Grundsatz der Barrierefreiheit. Barrierefreiheit - also ein hindernisfreier Zugang - ist Grundvoraussetzungen für selbständiges Leben von Menschen mit Behinderung und soll Menschen mit Behinderung erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, selbstständig soziale Kontakte zu pflegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben.
Daher ist gesetzlich verankert, dass allgemeinzugängliche Orte, Gebäude und Anlagen sowie alle Unternehmen, die öffentlich Waren, Dienstleistungen oder Informationen anbieten, barrierefrei erbracht werden müssen (= in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne menschliche Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar).
Natürlich bedeutet Barrierefreiheit auch hindernisfreien Zugang mit behinderungsbedingten Hilfsmitteln wie Assistenzhunden. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) schreibt zum Thema Barrierefreiheit auf ihrer Webseite:
Barrierefreiheit bedeutet «Zugang zu allem für alle»! Dank der Barrierefreiheit sollen alle Menschen ein möglichst normales Leben führen können, also auch jene mit einer körperlichen, sensorischen, intellektuellen oder psychischen Behinderung. Barrierefreiheit bedingt die Umsetzung spezifischer Massnahmen zur Verminderung oder Beseitigung der Hindernisse, mit denen Menschen mit Behinderungen in ihrem persönlichen und sozialen Leben konfrontiert sind.
B)
Menschen mit Behinderung, die sich in Begleitung eines Assistenz- oder Blindenführhundes befinden, darf der Zutritt daher grundsätzlich nicht verweigert werden.
Das Recht auf Barrierefreiheit inkludiert auch den ungehinderten und kostenlosen Zugang für Assistenzhund-Teams
Dies bedarf weder einer Zustimmung von irgendwem, noch kann es untersagt werden.
A)
Die Aufforderung als Alternative zum Assistenzhund generell oder situativ auf eine menschliche Begleitperson zurückzugreifen oder/aber über die (generelle oder situative) Notwendigkeit eines Assistenzhundes zu urteilen, steht Drittinstanzen nicht zu und ist höchst diskriminierend.
Ein solcher Einwand widerspricht nicht nur der Botschaft des Bundesrates sondern verletzt im höchsten Masse die Grundrechte von Menschen mit (sichtbarer UND unsichtbarer) Behinderung in der Achtung der Unterschiedlichkeit ihrer Einschränkung, in der Akzeptanz der jeweils individuellen Bedürfnisse sowie in der jeweiligen Autonomie (= Selbstständigkeit und Selbstbestimmung) einschliesslich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen
Die Wahl des (Begleit-)Hilfsmittels liegt bei mündigen Personen alleine bei diesen
A)
Die Gesetzesgrundlagen zum Diskriminierungsschutz sind enthalten in:
B)
Als rechtswidrige Diskriminierung gilt jede (Be-)Handlung, welche die Rechte/Bedürfnisse behinderter/chronisch kranker Menschen auf Barrierefreiheit, Teilhabe, Autonomie und Unabhängigkeit verletzt, also jede Situation, die Betroffene in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt.
C)
Wenn Menschen durch die Nutzung eines (tierischen) Hilfsmittels, der Zutritt/die Teilnahme ohne erhebliche, rechtlich haltbare Begründung verweigert wird, sei es durch Ausschliessung (z.B. Zutrittsverbot mit Assistenzhund bzw. Einschränkung auf bestimmte Bereiche oder durch Verweigerung angemessener Massnahmen (z.B. keine Ausnahmen für Assistenzhunde bei generellem Hundeverbot) liegt eine Diskriminierung vor.
D)
Für das Vorliegen einer Diskriminierung spielt es keine Rolle, ob eine Zutrittsverweigerung aus einer bestimmten Haltung heraus erfolgt (z.B. auf das Hausrecht bestehen oder vermeintlich haltbare Argumente wie Allergien, oder Hundeangst hervorbringen) oder ob der Nachteil einfach die unbeabsichtigte Folge einer bestimmten Regelung (z.B. Hausordnung) ist. Es spielt auch keine Rolle, ob die Diskriminierung auf Anweisung hin („weil es die Geschäftsleitung vorschreibt“, „weil es der Chef so will“) oder aus persönlichen Gründen (“ich mag keine Hunde“) erfolgt.
E)
Um eine Schlechterstellung rechtlich haltbar zu begründen, müssen erhebliche Gründe vorgebracht werden. Hierbei reichen jedoch Argumente der Gleichheit zu anderen Personen (z.B. andere Mieter, andere Patienten, andere Gäste etc.) oder generelle Ausflüchte wie z.B. (nicht personenbezogene und effektiv nachgewiesene) allergische Reaktionen nicht aus. Nur wenn das Mensch-Hund-Team im besonderen Masse den Betriebsablauf stört (z.B. Fleisch von der Theke klauen) oder eine Gefährdung Dritter nach sich zieht (was bei Assistenzhunden regelmässig nicht der Fall ist), darf ein Assistenzhund verwiesen werden. Zum Schutz vor Diskriminierungsklagen ist jedoch ratsam, dass der Zutrittsverweigerer solche Fälle ausführlich dokumentiert wird.
Es kann bei der Begleitung von Menschen mit Behinderung durch ihre Assistenz- oder Blindenführhunde generell davon ausgegangen werden, dass ein Verbot der Mitnahme des Hundes eine Schlechterstellung und damit eine verbotene Diskriminierung bedeutet.
Quelle: www.inclusion-handicap.ch / FOCUS Nr. 9, April 2013, Seite 16 & 17
A)
Die Erteilung eines Hausverbots im Privaten kann völlig willkürlich erfolgen. Sobald aber der Hausherr seine Türen der Allgemeinheit zugänglich macht, verbietet Art. 6 des Behindertengleichstellungsgesetzes die Anwendung des Hausrechts dort, wo Diskriminierung anfängt:
"Öffentliche, von jedermann beanspruchbare Orte, Bauten, Anlagen, Gebäude und Dienstleistungen müssen grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein".
Von „jedermann beanspruchbar“ nach Art. 3 lit. e BehiG trifft dann zu, wenn nicht von vornherein ein umschriebener Kreis von Benutzern definiert wurde. Dies ist nicht der Fall, wenn der Benutzerkreis eng und individualisierbar, mit selektiven Aufnahmekriterien definiert ist (z.B. darf ein Mann mit Assistenzhund an einem reinen Frauenanlass ausgeschlossen werden).
Das Recht auf ungehinderten und kostenlosen Zugang für Assistenzhund-Teams bedarf weder einer Zustimmung von irgendwem, noch kann es untersagt werden
A)
Die Anwendung eines generellen Hundeverbots benachteiligt Menschen, die auf die Begleitung ihres Assistenzhundes angewiesen sind - und stellt somit eine unzulässige Diskriminierung im Sinne des Gesetzes dar.
B)
Assistenzhunde sind auch dort zuzulassen, wo Hunde normalerweise nicht erwünscht oder erlaubt sind. Dies umfasst insbesondere auch Gesundheits-Einrichtungen und Lebensmittelgeschäfte.
Assistenzhunde sind auch dort zuzulassen, wo Hunde normalerweise nicht erwünscht oder erlaubt sind
A)
Wo Barrierefreiheit nicht per se gegeben ist, verlangt der Gesetzgeber die Umsetzung spezifischer Vorkehrungen und/oder Massnahmen zur Verminderung oder Beseitigung allenfalls bestehender Hindernisse, mit denen betroffene Menschen in ihrem persönlichen und sozialen Leben (auch im Einzelfall) konfrontiert sind.
B)
Gemäss Artikel 9e der UN-Behindertenrechtskonvention umfasst dies explizit auch Massnahmen im Bezug auf „tierische Assistenz“.
C)
Die Massnahmen um bestehende Hindernisse zu beseitigen sollen allgemein oder situationsbezogen sein und das Ziel haben auch Benachteiligungen im Einzelfall zu verhindern. In Bezug auf Assistenzhunde bedeutet dies zum Beispiel:
Leider steckt längst nicht mehr unter jeder Kennzeichnungsdecke tatsächlich ein "echter" Assistenzhund. Entsprechende Schabracken können problemlos im Internet besorgt und jedem Haushund angezogen werden. Daher ist es legitim, sich vor Missbrauch durch "Schwindel-Assistenzhunde" zu schützen und die Vorlage eines entsprechenden Nachweises zu verlangen. Detaillierte Erfragungen, z.B. über die Art und Schwere der (allenfalls nicht sichtbaren) Erkrankung sind jedoch Privatsache.
Die Rechtfertigung gegenüber der jeweiligen Klientschaft (Kunden, Besucher, Gäste, Mieter, etc.) darüber, warum ein Assistenzhund zugelassen wird und ein normaler Haushund nicht, kann vorgängig aufgeführten Punkten entnommen werden. Die interne und externe Aufklärung darüber ist Sache der verantwortlichen Person (Betriebsleitung, Organisator, Vermieter, etc.). Abkürzend und korrekterweise wird in der Regel begründet, dass eine rechtliche Verpflichtung zur Zulassung besteht, was bei Haushunden nicht der Fall ist.
Wir empfehlen eine offene Kommunikation, zum Beispiel durch Anbringung eines entsprechenden Aufklebers in Eingangsbereich und einer entsprechende Ergänzung der jeweiligen Weisungen (z.B. Hausordnung/Webseite), zum Beispiel gemäss nachstehender Vorlage:
Im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen zum Behindertengleichstellungsrecht sind Blindenführ- und andere Assistenzhunde vom allgemeinen Hundeverbot ausgenommen, sofern ein Nachweis einer entsprechender Organisation (z.B. von Blindenführhundeschule, LeCopain, SwissHelpDogs) vorgelegt werden kann.
Diskriminierung ist kein Kavaliersdelikt!
Ungerechtfertigt benachteiligte Personen haben Anspruch auf Entschädigung bis zu CHF 5000.-- (ZGB, Art. 8, Abs. 3). Hierfür kann eine Zivilklage eingereicht werden. Sind Unkosten oder sonstiger Schaden entstanden, kann zusätzlich auf Schadenersatz und Genugtuung geklagt werden.
Viele Assistenzhunde haben eine geschulte Frühwarn- und/oder Interventionsfunktion und sind dadurch in der Lage krankheitsspezifische psychische und/oder physische Entgleisungen anhand von Geruch, Haltung, Atmung oder Herzschlag anzuzeigen, abzuwenden oder zu unterbrechen. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Hunde mit geschulter Warnfunktion jedem menschlichen oder technischen Hilfsmittel überlegen sind. Ein Zwischenfall als Folge einer Zutrittsverweigerung, der mit Helferhund hätte verhindert werden können, könnte (versicherungs-) rechtliche Folgen nach sich ziehen.